BRAINFUCK by Alfred Berger

BRAINFUCK by Alfred Berger

Autor:Alfred Berger
Die sprache: eng
Format: mobi
Tags: Anthologie, Brainfuck, Luzifer, Horror
ISBN: 9783943408751
Herausgeber: Luzifer Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Nachtbus-Sinfonie

„Wem zu glauben ist, redlicher Freund, das kann ich dir sagen: Glaube dem Leben; es lehrt besser als Redner und Buch.“

(Wilhelm Busch)

Lily hatte Glück. Der Platz am Heizgebläse im hinteren Teil des Busses war frei. Das Gebläse lief rauschend auf Hochtouren und mühte sich redlich, das Innere des Linienbusses zu erwärmen.

Lily öffnete den Reißverschluss ihrer Daunenjacke ein Stück. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt. Das Fernstudium im Fach Kulturwissenschaften war ihr anfangs machbar erschienen – inzwischen sah sie das anders. Es war die Hölle. Regelmäßig saß sie bis in die Morgenstunden über den Unterlagen, kämpfte mit dem Lernstoff und schätzte sich glücklich, wenn am nächsten Tag noch die Hälfte des am Vorabend Gelernten abrufbar war. Ihr Gehirn verhielt sich wie ein schwarzes Loch: Es konnte Lerninhalte auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen. Wie gut, dass der Supermarkt am Bahnhof bis null Uhr geöffnet war, sonst wäre der Kühlschrank häufiger leer geblieben.

Sie nahm den Rucksack vom Rücken, stellte ihn auf den Sitz am Durchgang und ließ sich auf den Fensterplatz fallen. Der Bus präsentierte sich spärlich besetzt. Auf dem vorderen rechten Vierersitz thronte ein Mann in legerem Büroanzug, einen beigefarbenen Kaschmirmantel auf dem Schoß und eine braune Lederaktentasche neben sich. Er schien einen Stock verschluckt zu haben. Seine akkurat gescheitelten, grauen Haare verstärkten die Aura von künstlicher Eleganz, die er ausstrahlte. Der Anzugträger starrte durch die Scheibe nach draußen, als gäbe es nichts Interessanteres als im Nachtdunkel vorbeiziehende Häuser.

Drei Reihen weiter, auf der Fahrerseite, lümmelte sich ein Betrunkener über beide Plätze. Die Kapuze seines schmierigen Parkas war tief ins Gesicht gezogen, sodass nur der struppige Vollbart zu sehen war. Sein Kopf lehnte am Holm zwischen zwei Fenstern. Er verströmte eine indezente Geruchsnote aus altem Schweiß und frischem Alkohol. Und er schnarchte.

Rechts von ihm, in der Sitzreihe dahinter, beschallte ein blondes Mädchen aus ihren überdimensionalen Kopfhörern ihre Umgebung. Stillhalten schien ein Fremdwort für sie zu sein, sie tanzte im Sitzen und befand sich eindeutig außerhalb jeder Realität. Der Aroma-Mix aus ›Mexx Black Woman‹ und Marihuana, der von ihr ausging, mischte sich mit den anderen Gerüchen im Bus.

Zusammen mit den wechselnden Klängen ergab das Ganze eine typische Melange, die Lily für sich Nachtbus-Sinfonie getauft hatte. Zu dieser gehörten auch das Bremsgeräusch und das zischende Öffnen der Türen, das gerade erklang.

*

Der junge Mann, der eintrat, dem Fahrer ein Geldstück hinlegte und seinen Fahrschein entgegennahm, war groß gewachsen und schlank. Er trug komplett schwarze Kleidung. Unter seiner modischen Strickmütze quoll dunkles Haar hervor, das im Emo-Style quer über die Stirn drapiert war. Darunter leuchteten zwei Augen in hellem Blau, die Lily beinahe ein bewunderndes Pfeifen entlockt hätten. Der Bursche schlenderte den Mittelgang entlang. Auf Lilys Höhe angekommen, schenkte er ihr ein behutsames Lächeln und setzte sich auf den Platz ihr gegenüber. Unwillkürlich strich sie sich mit der Hand durch ihre leuchtend roten Haare und schüttelte sie zurecht.

Verstohlen musterte sie ihn. Er war hübsch. Die ebenmäßigen römischen Züge wirkten winterlich blass. Die vollen Lippen standen in Kontrast zu einem Dreitagebart, was ihm eine seltsame jugendlich–verruchte Ausstrahlung verlieh. Wie



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